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Dr. Otto  Brändli, Pneumologie, Universitätsspital Zürich, Rämistrasse 100, 8091 Zürich

Quintessenz
-Die Behandlung mit  einer Viererkombination (von Isoniazid, Rifampicin,  Pyrazinamid  und Ethambutol) während 2 Monaten und Erhaltungstherapie mit einer Zweierkombination (von Isoniazid und Rifampicin) während  weiteren 4 Monaten mit Verwendung von fixen Kombinationstabletten und kontrollierter, wenn möglich direkt überwachter,  einmal täglicher Medikamenteneinnahme heilt eine Tuberkulose weiterhin in über 97% der Fälle.

-Sorgfältige Information, mit Rücksicht auf Sprache und kulturelle Besonderheiten bei ausländischen Patienten, die Meldepflicht für Arzt und Labors, die Umgebungsuntersuchungen und die konsequente Therapieüberwachung  haben die epidemiologische Situation bei uns wieder unter Kontrolle gebracht.

-Auch die vor allem in Osteuropa, Afrika und Asien vermehrt aufgetretene  Multiresistente (MDR)- oder sogar extrem resistente (XDR)- Tuberkulosen sind mit Einsatz von Reservemedikamenten und mit sehr viel längerer Behandlungsdauer und höheren Kosten bei uns heilbar.

-Therapieprobleme  wie Nebenwirkungen und spezielle Situationen wie die Doppelinfektion mit HIV, bereits früher behandelte Rezidiv-Tuberkulosen und Patienten aus Ländern mit hoher Rate von resistenter Tuberkulose sollten mit erfahrenen Pneumologen oder Infektiologen besprochen werden.

-Präventive Chemotherapie mit Isoniazid senkt die Erkrankungsrate vor allem bei  durch Tuberkulose exponierten Kindern unter 5 Jahren und bei Immunsuppression durch  HIV/AIDS oder Behandlung mit TNF- Hemmern. Ob weitere Kreise präventiv behandelt werden sollen, muss von Fall zu Fall entschieden werden.

 

Die bisherige Behandlungs- Strategie hat sich bewährt!

Dank frühzeitiger Diagnose, raschem Therapiebeginn mit einer Kombination der  vier Basis-Medikamenten Isoniazid (INH), Rifampicin (RMP), Pyrazinamid (PZA) und Ethambutol (EMB) während 2 Monaten , gefolgt von INH und RMP während 4 Monaten, und mit Verwendung von fixen Kombinationstabletten und direkt überwachter Medikamenteneinnahme (directly observed therapy, DOT genannt) sind in der Schweiz die Tuberkulosezahlen seit 1990 wieder rückläufig (Tab. 1). Wenn die Medikamente konsequent unter ärztlicher Kontrolle während 6 Monaten eingenommen werden, ist die Tuberkulose bei uns praktisch immer heilbar und werden keine Medikamentenresistenzen „gezüchtet“. Todesfälle wegen zu später Entdeckung und weit fortgeschrittener Krankheit kommen allerdings immer noch vor. Die weltweit immer noch wichtigste zum Tode führende Infektionskrankheit bleibt auch bei uns meldepflichtig. Sie ist dank der guten Zusammenarbeit der behandelnden Ärzte mit den Kantonsärzten und den Lungenligen hier wieder unter Kontrolle.  In Tab. 2 sind die wichtigsten Punkte zusammengefasst, welche in den ausführlicheren Therapie- Richtlinien behandelt werden (1,2).

 

Therapieüberwachung (DOT) auch bei uns?

Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts kam es auch bei uns zu einem Aufflackern der Tuberkulose wie  in allen Industrie- und besonders den Entwicklungsländern. Neben der Doppelinfektion mit HIV wurde dafür vor allem der Abbau der organisatorischen Massnahmen gegen die Tuberkulose verantwortlich gemacht. Erst der Wiederaufbau  der Behandlungskette, die Durchsetzung des seit über 20 Jahren etablierten Therapieschemas  und die DOT haben die Situation wieder unter Kontrolle gebracht. Fixe Kombinationstabletten, welche das selektive Einnehmen einzelner Tuberkulose- Medikamente verhindern, wurden bei uns neu eingeführt. Damit und mit der  umfassenden Aufklärung der Patienten und ihrer Umgebung durch spezialisierte Tuberkuloseverantwortliche in Kliniken und Lungenligen können die Patienten dazu gebracht werden, die vielen Tabletten über Monate ohne Unterbruch regelmässig einzunehmen, obwohl sie schon nach wenigen Tagen keine Symptome ihrer Krankheit mehr verspüren!

Am besten wird die DOT bereits bei Therapiebeginn etabliert, in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt oder einer Apotheke, manchmal auch am Arbeitsplatz oder in der Familie selbst. Unter dem Eindruck der Schwere der Erkrankung, des Infektionsrisikos und insbesondere der notwendigen Isolationsmassnahmen akzeptieren die Patienten diese Einschränkung  leichter. Später kann dann das Medikamentenabgabeintervall verlängert werden oder durch häufige  Arztkonsultationen  zur Medikamentenabgabe und Urinkontrolle auf INH-Metaboliten im Urin ersetzt werden.

„bad bugs, no drugs“: Multiresistente Tuberkulose und keine neuen Medikamente?

Resistenzen entstehen dann, wenn die ubiquitär vorhandenen resistenten Mutanten von M. tuberculosis durch unregelmässige oder unterdosierte Medikamenteneinnahme,  vor allem in den ersten Wochen und Monaten der Behandlung, „gezüchtet“ werden. In einer tuberkulösen Kaverne wachsen  über 108 Mykobakterien. Auf etwa 10 6 Mykobakterien findet sich bereits  eine Spontanmutation auf INH. Deshalb kann nur durch eine Kombination von Medikamenten mit verschiedenem Angriffspunkt die Vermehrung dieser resistenten Mykobakterien verhindert werden. Das seit Beginn der Tuberkulose-Chemotherapie, seit den ersten Behandlungen mit Streptomycin, bekannte rasche Auftreten von Resistenzen unter Monotherapie ist deshalb der Grund für die obligate Mehrfachkombination von heute meist vier Medikamenten und die Forderung nach strenger Überwachung der Medikamenteneinnahme sowie, im Zweifelsfall, der erreichten Serumspiegel. Medikamentenwechsel oder ungenügende Dosierungen können sonst zur schrittweisen Resistenzbildung führen: zuerst nur auf INH, dann auch auf RMP ( „multi drug resistant“,  MDR genannt ) und zuletzt auch auf die  Reservemedikamente, insbesondere  Fluorochinolone und Aminoglykoside ( „extensively drug resistant“,  XDR genannt). Einzelne Fälle von XDR-Tuberkulosen wurden schon früher auch bei uns beobachtet und meist erfolgreich behandelt (3). Wegen vermehrten Auftretens mit Todesfällen vor allem in Südafrika haben sie jetzt grössere Beachtung gefunden (4,5). Südafrika ist nur wenige Flugstunden von uns entfernt. Ohne wirksame Therapie würden auch bei uns wieder bis zu 50% aller Tuberkulosekranken sterben wie in der vorantibiotischen Ära!

Wegen fehlenden finanziellen Anreizen hat die Pharmaindustrie seit RMP im Jahre 1968 leider kein neues  Tuberkulosemedikament mehr auf den Markt gebracht, mit Ausnahme von neuen Rifamycinen wie Rifabutin und Rifapentin sowie den heute oft bei Tuberkulose eingesetzten Chinolonen. Insbesondere Moxifloxazin wird heute als Ersatz von INH oder EMB in der Erstbehandlung der Tuberkulose ausprobiert und ist eines der wichtigsten Reservemedikamente geworden. Neben dem nur intravenös  verabreichbaren  Amikacin und dem auch intramuskulär verfügbaren  Capreomycin wird   Oxazolidinon als Reservemedikament verwendet. Neuerdings sind jetzt dank staatlichen Mitteln und Grossspendern wie Bill Gates neue Präparate in der Pipeline, aber noch viele Jahre von der klinischen Anwendung entfernt.

Die Behandlung einer resistenten Tuberkulose, die bei uns dank dem frühen Einsatz von Gensonden zur Bestimmung der Resistenzgens für RMP (rpo B Gen) und der routinemässigen Resistenzprüfung rascher entdeckt werden, soll unbedingt mit einem darin erfahrenen Kollegen besprochen werden. Die Beurteilung der Tolerierbarkeit der häufigen Nebenwirkungen und der ausreichenden Therapiedauer ist sehr schwierig. Oft ist zusätzlich eine chirurgische Parenchymresektion nötig, um die Heilung zu beschleunigen oder überhaupt zu ermöglichen.

Was  muss kontrolliert werden?

Regelmässige, anfänglich wöchentliche, später monatliche klinische Kontrollen auf Krankheitsverlauf und Medikamentennebenwirkungen sind entscheidend für den Therapieerfolg.

Sputumkontrollen auf Mykobakterien sollten monatlich bis zum Erhalt von negativen Kulturen durchgeführt werden. Positive Kulturergebnisse nach 2 Monaten sprechen noch nicht für ein Therapieversagen. Die Behandlungsdauer muss aber um mindestens einen Monat verlängert werden. Oft sind vor allem bei kavernöser Lungentuberkulose Mykobakterien im Sputumdirektpräparat noch lange nachweisbar, während die Kulturen kein Wachstum mehr zeigen. Erst wenn auch die Röntgenkontrolle nach 2 Monaten keine Besserung zeigt oder die Kulturen auch nach 5 Monaten noch wachsen, handelt es sich um ein Therapieversagen. Neben Medikamentenresistenz könnte mangelnde Compliance oder aber ungenügende Resorption der Grund dafür sein. Insbesondere bei Asiaten und bei AIDS-Kranken können Resorptionsstörungen oder Interaktionen mit antiretroviraler Therapie, insbesondere Proteasehemmern,  vorhanden sein. Hier ist die Blutspiegelbestimmung für INH und RMP indiziert (6).

Transaminasen- und Bilirubin- Kontrollen vor, 1 bis 2 Wochen nach Therapiebeginn und dann in monatlichen Abständen werden im Alter von über 35 Jahren und bei Verdacht auf Lebererkrankung empfohlen.   Bei asymptomatischen Patienten können Transaminasenerhöhungen bis zum 5- fachen der oberen Normgrenze unter Therapie noch toleriert werden. Die zusätzliche Gabe von Vitamin B6 in niedriger Dosierung von 40 mg wird insbesondere bei Risikofaktoren wie Alkohol oder vorbestehende Lebererkrankung empfohlen. Bei Verwendung von EMB in höher Dosierung als 15 mg/kg oder länger als 2 Monate werden Visus- und Farbsehprüfung empfohlen.

Nach Abschluss einer erfolgreichen Behandlung während 6 Monaten, bei Meningitis- und Lymphknoten-Tuberkulose 9 Monaten, sind weitere Kontrollen ausser nach längeren Therapieunterbrüchen oder bei unsicherer Medikamenteneinnahme nicht mehr notwendig. Bei der Lymphknoten- Tuberkulose kann anfänglich unter der Therapie eine stärkere Schwellung auftreten. Dies ist ein passageres immunologisches Phänomen und wird oft als Therapieversagen fehlinterpretiert.

Was tun bei Nebenwirkungen?

Patienten klagen sowohl unter der präventiven Monotherapie mit INH  und noch mehr unter  der Kombinationstherapie oft über uncharakteristische Beschwerden wie Nausea und Müdigkeit. Diese müssen nicht nur wegen der möglichen Nebenwirkungen, sondern auch zum Aufrechterhalten der Einnahmedisziplin ernst genommen werden. Manchmal hilft die Verschiebung der Einnahmezeit auf den Abend vor dem Zubettgehen. Der Patient „verschläft“ dann die Beschwerden und die Tabletten werden erst noch auf leeren Magen besser resorbiert. Man ist aber davon abgekommen, die Tuberkulosemedikamente deswegen morgens nüchtern einnehmen zu lassen. Die bis zu 10 Tabletten werden besser zusammen mit dem Frühstück oder bei DOT mit einem Snack geschluckt.

Die Patienten müssen über die wichtigsten Nebenwirkungen, insbesondere Erbrechen, unerklärbare Müdigkeit und Gelbverfärbung von Haut und Skleren gut informiert werden (Tab. 1; 7). Bei  Auftreten von Symptomen müssen bereits bei Transaminasenerhöhungen über das Dreifache der oberen Normgrenze alle Medikamente gestoppt werden. Nach Rückgang der Transaminasen können  zuerst RMP zusammen mit EMB und  nach weiteren 3 bis 7  Tagen auch INH wieder eingesetzt werden. Dank der Enzyminduktion und einer Adaptation des Leberparenychyms wird dann die Therapie allerdings ohne PZA meist wieder toleriert. Wenn die  Patienten gut über die möglichen Nebenwirkungen informiert sind, können so auch schwerwiegendere  Komplikationen vermieden werden.

HIV/AIDS und Tuberkulose

Wegen der Interaktionen vor allem von RMP mit der antiretroviralen Therapie soll wenn immer möglich zuerst nur die Tuberkulosetherapie allein begonnen werden. Erst nach mindestens 2 Monaten kann dann, allerdings unter Substitution von RMP durch Rifabutin (in der Regel 150 mg), auch die antiretroviralen Therapie gestartet werden.  Bei unter der Kombinationstherapie neu auftretenden Symptomen kann dann oft nur schwer zwischen Nebenwirkungen und dem sogenannten Immunrekonstitutionssyndrom unterschieden werden.

Eine Latente Tuberkulose nur suchen, wenn man sie auch behandeln will!

Die Meldung einer Tuberkuloseerkrankung an den Kantonsarzt innerhalb einer  Woche nach Behandlungsbeginn und die meist von der Lungenliga durchgeführte Umgebungsuntersuchung haben zum Ziel,  mögliche Streuquellen  oder Ansteckungen zu finden. Eine Ansteckung ist nur wahrscheinlich bei  engem Kontakt während mindestens 8 bis 12 Stunden mit einer Lungentuberkulose erkrankten Person, in der Regel im selben Haushalt oder Arbeitsplatz. Es sollten aber nur Personen mittels Tuberkulin-Hauttest oder Interferon-gamma-Bluttest auf Infektion mit Tuberkulose (latente Tuberkulose) untersucht werden, bei welchen auch eine präventive Chemotherapie mit INH in Betracht gezogen wird. Es betrifft dies vor allem Kinder und Personen mit Immunabwehrschwäche durch HIV/AIDS (8, Tab.2). Ob bei HIV/AIDS , vor allem bei erniedrigter CD4-Zahl , die präventive Chemotherapie mi t INH oder  die antiretrovirale Therapie allein oder die Kombination der beiden Behandlungen die Tuberkuloseerkrankungsrate am besten senken können, müssen noch weitere Studien zeigen (9).

Wegen des mit dem Alter zunehmenden Risikos einer Hepatitis unter präventiver Chemotherapie mit INH ab 35 Jahren sollte die SGOT(ALAT) nicht nur vor, sondern auch regelmässig, zumindest nach 1,3 und 5 Monaten, unter Therapie bestimmt werden(7).  INH soll  höchstens für einen Monat aufs Mal rezeptiert und die Patienten gleichzeitig klinisch kontrolliert werden. Die Dosierung beträgt 5 mg/kg Körpergewicht, maximal 300 mg, täglich. Eine Alternative bei INH-Resistenz wäre  4 Monate RMP  10 mg/kg KG täglich. Die Kombination von RMP und PZA musste wegen höherer Hepatitisrate wieder verlassen werden.

Wegen der ohne Krankheits-Symptome und ohne Leidensdruck schlechten Therapietreue und in Angleichung zur gleichzeitig innerhalb der  Familie durchgeführten Chemotherapie einer aktiven Tuberkulose wurde bisher  ausser in der Schweiz und den USA auch die präventive INH- Therapie nur während 6 Monaten  durchgeführt (10,11). Im aktuellen Schweizer Handbuch Tuberkulose auf Seite 35 wird neu nicht nur bei lHIV/AIDS eine 9 Monate- Therapie empfohlen (1).  In der einzigen grossen prospektiven Studie reduziert  eine Behandlungsdauer von 6 Monaten das Erkrankungsrisiko um 69%, eine solche von  12 Monaten allerdings um 93% (12). Entscheidend für den Therapieerfolg ist die konsequente Motivation durch den Arzt und seine Mitarbeiter für diese  lange dauernde Medikamenteneinnahme.

 

Referenzen

1. Handbuch Tuberkulose. Hrsg. Lungenliga Schweiz und Bundesamt für Gesundheit, 2007; oder http://www.tbinfo.ch/uploads/media/Handbuch_Tuberkulose_d_140507.pdf

2. Hopewell PC,Pai M, Maher D, Uplekar M, Raviglione MC. International Standards for Tuberculosis Care. Lancet Infect Dis 2006 ;6 :710-25

3.Gimmi R, Pfyffer GE, Brändli O. Multiresistente Tuberkulose – in der Schweiz heilbar. Schweiz Med Forum 2003;4: 80-90

 

4.Gandhi NR, Moll A, Sturm AW, Govender T, Lalloo U et al. Extensively drug-resistant tuberculosis as a cause of death in patients co-infected with tuberculosis and HIV in a rural area of South Africa. Lancet 2006 ;368 :1575-80

 

5.US Centers for Disease Control and Prevention. Emergence of Mycobacterium tuberculosis with extensive resistance to second-line drugs-worldwide, 2000-2004. MMWR Morb Mortal Wkly Rep. 2006;55:301-305

6.Tappero JW, Bradford WZ, Agerton TB, Hopewell P, Reingold AL et al. Serum Concentrations of antimycobacterial drugs in patients with pulmonary tuberculosis in Botswana. Clin Infect Dis 2005;41:461-69

7.Saukkonen JJ, Cohn DL, Jasmer RM, Schenker S, Jereb JA et al. Hepatotoxicity of antituberculosis therapy. An official ATS Statement. Amer Rev Respir Crit Care Medicine 2006;174:935-52

8.Elzi L, Schlegel M, Weber R et al. Reducing tuberculosis indicence by tuberculin skintesting, preventive treatment, and antiretroviral therapy in an area of low tuberculosis transmission. Clin Infect Dis 2007; 44:94-102

9.Golub JE, Saraceni V, Vavalcante SC, Pacheco AG,Moulton LH et al. The impact of antiretroviral therapy and isoniazid preventive therapy on tuberculosis incidence in HIV- infected patients in Rio de Janeiro, Brazil. AIDS 2007 ;21 :1441-8

10.Rieder HL. Preventing latent tuberculosis among HIV-infected patients: efficacious and effective, yet inefficient? Clin Infect Dis 2007 ;44 :103-4

11. National Institue for Health and Clinical Excellence. Tuberculosis. Clinical diagnosis and management of tuberculosis, and measures for its prevention and control. London 2006 www.nice.org.uk/CG033

12 International Union against Tuberculosis Committee on Prophylaxis. Efficacy of various durations of isoniazid preventive therapy for tuberculosis. Bull WHO 1982 ;60 :555-64

 

Mit herzlichem Dank für die Mitarbeit an Dr. Max Kuhn, Chur.

 

Tab. 1  Wichtigste  Tuberkulosemedikamente

 

Tab. 2   Merkpunkte  zur Tuberkulose-Behandlung

  1. Information von Patient/Angehörigen/Mitarbeitern

Am besten mündlich und schriftlich und in der Muttersprache des Patienten, bei Fremdsprachigen mit Hilfe eines  Übersetzers. Bei der Information der Angehörigen und Mitarbeiter der Angst vor Ansteckung, der Gefahr des Arbeitsplatzverlustes sowie dem Datenschutz Beachtung schenken.

  1. Wahl, Dosis und Verabreichung der Medikamente

Therapie-Richtlinien (Lungenliga Schweiz) und Tuberkulose- Hotline für Aerzte  0800388388 oder der Rat eines Pneumologen oder Infektiologen sind hilfreich. Verwendung von Kombinationspräparaten und einmal tägliche Verabreichung, morgens zum Frühstück, trotz etwas geringerer Resorption nicht zwingend auf nüchternen Magen, oder bei Nausea auch abends vor dem Zubettgehen, erleichtern die Compliance.

  1. Nebenwirkungen

Orientierung über zu erwartende Nebenwirkungen, wie die Rotfärbung des Urins unter RMP, fördert das Vertrauen und erleichtert die Weiterführung der Therapie.

  1. Ansteckung

Durch Isolation unter Therapie während der ersten 2 Wochen, Schutz der Besucher durch Tragen einer P2-Maske und rasche Einleitung der Umgebungsuntersuchung können Ansteckungsfälle vermieden werden. Entscheidend dabei ist die sofort eingeleitete, resistenzgerechte und ununterbrochen weitergeführte Chemotherapie und die präventive Chemotherapie der Kontaktpersonen.

  1. Kontrollierte (DOT) und intermittierende Medikamenteneinnahme

Im Spital ist die DOT die Regel und sollte zuhause wenn immer möglich weitergeführt werden. Nach zwei Monaten kann die kontrollierte Medikamenteneinnahme auch intermittierend, besser dreimal als zweimal wöchentlich, mit entsprechend höherer Dosierung erfolgen.

  1. Regelmässige Kontrollen

Engmaschige Sputum- und allenfalls auch Röntgenuntersuchungen, Untersuchungen auf Nebenwirkungen und insbesondere Compliance (rote Farbe und Nachweis von INH-Metaboliten im Urin) sind wichtig für Therapieerfolg.

 

 

Tab. 3  Indikation für präventive Chemotherapie der latenten Tuberkulose mit abnehmendem Erkrankungsrisiko

  1. Personen mit HIV/AIDS (insbesondere bei CD4-Zahl unter 200?) oder vor Behandlung mit TNF-Hemmern und mit einem Tuberkulose- Hauttest von über 5 mm und/oder positivem Bluttest
  2. Neugeborene und Kinder unter 5 Jahren mit Tuberkulose- Exposition erhalten, nach Ausschluss einer aktiven Tuberkulose. Sofort mit der präventiven Behandlung beginnen, bis nach 6- 8 Wochen mittels negativem Hauttest eine Infektion ausgeschlossen werden kann.
  3. Kinder zwischen 5 und 12 Jahren mit Tuberkulose-Exposition werden erst nach Nachweis eines  positiven Hauttests über 5 mm und/oder positivem Bluttest, über 12-Jährige erst bei über 10 mm behandelt
  4. Personen mit vorbestehenden , bisher nicht behandelten Tuberkuloseherden, nachdem eine aktive Tuberkulose mittels Sputumkultur ausgeschlossen wurde
  5. Personen unter 35 Jahren mit einer Hauttest über 10 mm und/oder positivem Bluttest,
  6. Personen über 35 Jahren mit einem Hauttest über 15 mm und/oder positivem Bluttest, nur im Rahmen einer Umgebungsuntersuchung

 

MC- Fragen

  1. Was bedeutet der Begriff MDR- Tuberkulose, der in letzter Zeit vor allem in den Medien  grosse Aufregung verursacht hat?

A  Eine Tuberkuloseform, welche überdurchschnittlich ansteckend ist

B  Eine Tuberkulose, welche auch bei uns nicht mehr behandelbar und heilbar ist

C  Eine Tuberkulose, bei welcher Resistenz auf die zwei Hauptmedikamente Isoniazid und  Rifampicin festgestellt worden ist

D  Eine Sonderform der extrapulmonalen Tuberkulose

E  Eine bisher in der Schweiz  und bei Schweizern noch nie diagnostizierte neue Form von resistenter Tuberkulose

Antworten

A falsch. Es gibt bisher keine Hinweise dafür, dass Mykobakterien mit Resistenzmutationen ansteckender sind. Im Gegenteil hofft man sogar, dass ihre Virulenz abgeschwächt ist. Trotzdem sind die bei Tuberkulose üblichen Vorsichts- und Isolationsmassnahmen zu treffen. Da auch keine Möglichkeit für eine sinnvolle präventive Chemotherapie nach Infektion besteht, empfehlen wir das Tragen von FFP3 –Gesichtsmasken für die Kontaktpersonen .

B falsch. Dank der Verfügbarkeit der zum Teil sehr teuren Reservemedikamenten und von     erfahrenen Thoraxchirurgen können bei uns mit allerdings hohen Kosten praktisch alle Fälle geheilt werden (Gimmi R, Pfyffer GE, Brändli O. Multiresistente Tuberkulose – in der Schweiz heilbar. Schweiz Med Forum 2003;4: 80-90)

 C richtig

 

D falsch. Medikamentenresistente Tuberkulosen können wie alle Tuberkulosen in bis zu 20% der Fälle auch andere Organe als die Lungen befallen

 

E falsch. Leider sind auch in der Schweiz 1-2% der Tuberkuloseerkrankten resistent auf Isoniazid und Rifampicin. Unter den insgesamt 69 MDR- Fällen in den Jahren 1996- 2005 waren auch 7 Schweizer.

 

 

  1. Eine präventive Behandlung mit Isoniazid nach Tuberkuloseinfektion ist wohl die häufigste Aufgabe der Aerzte in der Schweiz auf diesem Gebiet. Mit einer Ausnahme sind dazu alle Merkpunkte korrekt:

 

A   Eine präventive Chemotherapie mit Isoniazid nach Tuberkuloseinfektion verhindert in einem hohen Prozentsatz eine spätere Tuberkuloseerkrankung

 

B  Isoniazid ist auch bei älteren Patienten ungefährlich

 

C  Vor Einleitung der präventiven Behandlung muss eine aktive Tuberkuloseerkrankung unbedingt ausgeschlossen werden

 

D Säuglinge und Kleinkinder unter 5 Jahren erhalten nach engem Kontakt mit einer offenen Tuberkulose unverzüglich Isoniazid als sogenannte Chemoprophylaxe

 

E Die Indikation zur präventiven Chemotherapie nach Tuberkuloseexposition wird auf Grund einer Tuberkulin-Hauttestkonversion und/oder eines positiven Tuberkulose-Bluttests gestellt.

 

Antworten

 

A richtig. Das Risiko in den folgenden Jahren an Tuberkulose zu erkranken, welches normalerweise 5-15% beträgt, ist nach Chemotherapie um etwa 2/3 erniedrigt.

 

B falsch. Das Hepatitisrisiko, die Hauptnebenwirkung von Isoniazid, steigt vor allem im Alter nach 35 Jahren deutlich an und beträgt dann über 2%. 60% der Hepatitisnebenwirkungen erfolgen in den ersten 3 Monaten der Therapie und können durch Transaminasenkontrollen rechtzeitig entdeckt werden.

 

C richtig. Denn durch eine präventive Monotherapie mit Isoniazid könnten bei aktiver Tuberkulose mit grosser Zahl von Mykobakterien Resistenzen „gezüchtet“ werden.

 

D richtig. Das Erkrankungsrisiko ist nach Ansteckung mit Tuberkulose hier sehr hoch und kann durch rasche Therapieeinleitung vermindert werden. Hier soll nicht auf Hauttestergebnisse gewartet werden, diese sollen erst nach 2 Monaten durchgeführt werden, um die erfolgte Infektion zu beweisen oder auszuschliessen.

 

E richtig.  Von allen Exponierten sollten nur diejenigen die langedauernde Behandlung durchführen müssen, bei welchen die Infektion mittels Haut- oder Bluttest auch nachweisbar ist. Es ist auch dann noch schwierig genug,  die Medikamenteneinnahme über 6-9 Monate bei den asymptomatischen Infizierten durchzuführen!

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